Mittendrinn

Ok … ich bin gerade mittendrin … in der Geschichte von der ich eigentlich gar nicht wusste ob ich schon bereit bin. Der Fahrt zum Ende der Welt, an die südlichste Spitze von Südamerika und darum herum.

Die Tage und Wochen vergingen auf unserem Weg Richtung Süden und es war irgendwann unausgesprochen klar wir fahren weiter. Entlang einer unwirtlichen Küste von der man die schlimmsten Seglergeschichten hört. Wo Mähren geschrieben werden, gute wie schreckliche, auf der Suche nach dem Wal den wir bis jetzt nicht gefunden haben.

Diese Küste teilt sich in den netten Teil und den in dem man eigentlich nur durchfahren kann, da alle Plätze an der Küste sehr schwer zu erreichen sind. Strömungen von bis zu 6 Knoten gehen mit dem Gezeitenwechsel entlang der Küste. Einmal sind sie hilfreich und tragen dich weiter, gegen die Strömung werden sie dann zu reinen Plage mit schrecklich kurzen und ruppigen Wellen. Der Gezeitenwechsel ist hier bis zu 18 m hoch, eine völlig neue Situation für uns. Es stellen sich Fragen wie lang muss denn unsere Ankerkette sein, und wenn Low Tide ist, ist die Kette dann nicht zu lang um an Land geschwemmt zu werden.

Mann nennt diesen Bereich bis zum 40 Breitengrad die „roaring 40 th.“ und ich weiss jetzt auch warum. Innerhalb einer Minute schnellt der Wind von nichtvorhanden 7 Knoten auf über 35 Knoten. Man hört wie er brüllt und das Brüllen dauert dann vielleicht 10 Minuten und das wars für die nächste halbe Stunde. Jedesmal wenn du spürst das der Wind stärker wird, beginnt mein ganzer Körper zu vibrieren und das Herz beginnt richtig zu flattern. Ich habe schlichtweg schreckliche Angst. Pure existenzielle Angst, die ich mit nichts unter Kontrolle bringen kann. Sie endetet so schnelle wie der Wind wieder vergeht und kommt jedes mal aufs neue. Was für ein Masochismus. Zum Glück vergisst der Mensch so schnell und nach 30 Minuten ist alles wieder vorbei, bis der Wind wieder zu brüllen beginnt.

Mittlerweile haben wir den 51 südlichen Breitengrad überschritten und erstaunlicher Weise ist der Wind wesentlich konstanter geworden.

Ich und das Boot haben sich wieder beruhigt, bis auf die kleine Kleinigkeit, dass eines unserer massgeblichen Stahlseile bei um 50 Knoten Wind begonnen hat, sich Litze für Litze zu zerlegen und wir demnach das Vorsegel nur mehr bis max. 25 Knoten Wind verwenden sollten. Mc Gyver mäßig haben wir mit einem Seil, einer Nirostange und einem kleinen Spaten eine Verstärkung für dieses Zugseil gebastelt, sowie eine zusätzliche Sicherung aus Hahnepot und Spifall. Ist doch wirklich sehr beruhigend in der stürmischsten Gegend der Erde zu segeln mit einem Spaten als Backup.

Also wie gesagt ich bin gerade mittendrin.

Und exakt zu Mitternacht am 31.12.2019 haben wir die Südspitze von Südamerika umrundet und sind in den Beagle Kanal eingefahren!

Ja und Kap Hoorn … das ist eine ganz andere Geschichte.

Ursula JägerKommentieren